Einhundert Jahre Kirche Erdpreß


Wer für die Zukunft sorgen will,
muss die Vergangenheit mit Ehrfurcht aufnehmen.
([[Jean-Jacques Rousseau]])


 

Einhundert Jahre Kirche Erdpreß

(Johann Öttl, OSR Friedrich Wendy)

Erdpreß war seit jeher nach Niedersulz eingepfarrt und wurde von den Priestern in Niedersulz seelsorglich betreut.

Die Niedersulzer Pfarre wurde 1203 erstmalig urkundlich erwähnt anlässlich der Inkorporierung (Eingliederung) an das [[Stift Heiligenkreuz]].

Heiligenkreuz war im Jahre 1135 durch [[Markgraf]] Leopold III., den Heiligen, gegründet worden. Es ist das älteste [[Zisterzienser]]stift auf österreichischem Boden. 

heiligenkreuz
Zisterzienserstift Heiligenkreuz 

Erdpreß bestand sicher schon unter dem [[Babenberger]] Markgraf Leopold III., dem Heiligen, gestorben 1136, der hier Güter hatte und sie zu frommen Stiftungen verwendete. Der Ort war von deutschen Ansiedlern bewohnt und ein „Gemeinwesen, das in lebhafter wirtschaftlicher Entwicklung begriffen war“.

Beim Tod des letzten Babenbergers (Friedrich der Streitbare) 1246 hatten die Babenberger nur mehr ein [[Lehen]] in Erdprust. Zur gleichen Zeit hatte das Stift Heiligenkreuz, das schon durch die Gunst [[Herzog]] Leopolds V. (der Tugendhafte) ca. 1190 in Niedersulz reicher Grundherr war, 12 ½ Lehen in Erdprust. Auch der [[Deutsche Orden]], der im benachbarten Spannberg größere Besitzungen hatte, hatte einige Lehen in Erdpreß. Durch Schenkungen, durch Tausch und Kauf kam Heiligenkreuz allmählich zur Grundherrschaft in Erdpreß. Der Besitz wurde Niedersulz zur Verwaltung überwiesen. Nachdem 1651 [[Abt]] Michael von Heiligenkreuz die Herrschaft von Niederleis gekauft hatte, wurde Erdpreß mit Niedersulz dieser Herrschaft einverleibt.

Weiters waren an der [[Grundherrschaft]] in Erdpreß beteiligt die Herrschaften von Matzen und Wilfersdorf und das [[Domkapitel]] von Wien.

Seit dem 7. Jahrhundert hatte das [[Erzbistum]] Salzburg mit dem [[Suffraganbistum]] Passau die kirchliche Verwaltung unseres Gebietes.

Im Jahre 1469 wurde die [[Diözese]] Wien gegründet.

1722 wurde Wien Erzbistum.

1729 wurde die Pfarre Niedersulz der Wiener Erzdiözese zur kirchlichen Verwaltung und bischöflichen Betreuung übertragen.

Seit 1570 ist die Pfarre Niedersulz ununterbrochen von Priestern aus dem Stift Heiligenkreuz besetzt, ein zweiter Geistlicher oder [[Kooperator]] war ständig von 1696 bis 1884 in der Pfarre tätig.

Patres des Stiftes Heiligenkreuz betreuten die Pfarre bis 1945.

Im Jahre 1956 übernahm die Erzdiözese Wien die Aufgabe, für die Bestellung eines Priesters zu sorgen. Das Eigentum des Stiftes in der Pfarre Niedersulz wurde der Diözese übertragen.

Im Mai 1620 wurden Niedersulz und Erdpreß durch die Polaken (eigenes kaiserliches Kriegsvolk) geplündert und niedergebrannt. Die Kirchen in beiden Orten wurden ein Raub der Flammen. Beide wurden wieder errichtet.

In einer Beschreibung von Erdpreß um 1833 heißt es: „Im Dorf befindet sich eine dem [[heiligen Vitus]] geweihte Betkapelle, darin aber kein Gottesdienst abgehalten wird.“ Über das Aussehen der alten Kirche gibt es leider keine belegte Beschreibung und kein Bild. Sie stand am derzeit noch nicht regulierten Sulzbach gegenüber dem heutigen Haus Bruckner, Erdpreß Nr 53. Heute stehen dort eine Baumgruppe und ein von OSR HS-Direktor Heinrich Fichtinger geschnitztes sehr schönes Holzkreuz. 

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Holzkreuz 

Von dieser alten Kirche weiß man nur, dass der hölzerne Turm mit Glocken bestückt war, die nach dem Abbruch der Kirche auf einem großen Holzgestell im Garten der Volksschule montiert wurden (1899 – 1906). Zu Mittag wurden sie in diesen Jahren von den Schulkindern geläutet.

Im Jahre 1898 verfügte die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach die Sperre der Ortskirche Erdpreß wegen Baufälligkeit. Daraufhin musste die Kirche abgetragen werden.

Nun fasste die kleine Gemeinde Erdpreß den Beschluss, unter vielen Opfern eine neue Kirche zu bauen. Die Hauptlast für die Erbauung des neuen Gotteshauses musste die Gemeinde tragen.

Es war nicht leicht, für die neue Kirche einen günstigen Platz zu bekommen. Schließlich wurde von Familie Seymann, Erdpreß Nr. 8, unentgeltlich der Platz neben ihrem Haus zur Verfügung gestellt, sodass die neue Kirche fast fugenlos in die nördliche Häuserzeile eingebunden werden konnte.

Nun erinnerte man sich an ein etwa zehn Jahre zurückliegendes Ereignis. 1884 war die Freiwillige Feuerwehr Erdpreß gegründet worden. Kurz darauf brannte der in der Einschicht stehende Gutshof (Antonshof) des [[Fürsten Liechtenstein]] im Gemeindegebiet Loidesthal. Die Erdpresser Feuerwehr war als erste am Brandplatz und löschte so professionell, dass der damalige Fürst Johann II. versprach: „Die Erdpresser haben etwas gut bei mir“.

Nach einer Vorsprache bei Fürst Johann II. sagte dieser zu, dass sein Hofbaumeister die Pläne für den Bau der Erdpresser Kirche erstellen würde. Hofarchitekt der Liechtensteiner war damals niemand geringerer als Karl Weinbrenner, dieser war Schüler des weltberühmten Wiener Ringstraßenarchitekten Friedrich von Schmidt.

Weinbrenner plante ein Gotteshaus, das der Finanzkraft der Gemeinde Erdpreß entsprach und doch einmalig und unverwechselbar ist.

Nach Fertigstellung der Pläne suchte die Gemeinde Erdpreß bei der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf, die im Jahre 1901 errichtet worden war, um die Bewilligung für den Neubau einer Ortskapelle an ( Parzelle Nr. 104, Baubeschreibung: Innenmaß: 17,95 m Länge, 7,95 m Breite, Turm mit 20,8 m Höhe, feuersicher gemauert und eingedeckt).

Am 23. Juni 1904 fand die kommissionelle Bauverhandlung statt und die Baubewilligung wurde erteilt.

Ansehnliche Beträge für die Herstellung der Kirche wurden durch oft hellerweise Spenden aus nah und fern, besonders durch die bedeutenden Widmungen des regierenden Fürsten Johann von und zu Liechtenstein und der Barbara Putz, geborene Holzmann, mit je 1.200 Kronen aufgebracht. Der Sammeleifer hat sich zwar als sehr mühevoll, aber doch zugleich als lohnend erwiesen. Nach dem 9. Rechenschaftsberichte vom 30.9.1904 betrug der zum Neubau zur Verfügung stehende Fonds 6.817 K 72 h inklusive der Mittel, die die Gemeinde zur Verfügung stellte.

Am 9. März 1905 wurden alle Arbeiten für den Neubau der Kapelle an den Maurermeister Jakob Seehofer von Velm um den Betrag von 6.154 Kronen übergeben. Es wurde vereinbart, dass am 5. Juni die Grundsteinlegung zu erfolgen habe. Der Rohbau, sowie die Dacheindeckung, das Gesimse und der Turm bis zum Hauptgesims sind im Jahre 1905 fertig zu stellen. Die weiteren Arbeiten sind bis 1. September 1906 zu vollenden.

Am 5. Juni 1905 wurde das Fest der Grundsteinlegung für das Erdpresser Gotteshaus gefeiert. Am Eingang des Ortes erwarteten die Gemeindevertretung, die Schuljugend, alle Vereine und eine große Menschenmenge den Herrn Dechant Rupp und geleiteten ihn mit Musik und Glockengeläute zum Bauplatz. Ganz Erdpreß prangte im Festschmuck. Der Bauplatz war mit Fahnen und mit Laub- und Blumengirlanden hübsch dekoriert. Der Herr Dechant weihte den Grundstein für den Altar und segnete die Fundamente für die Kirche. Seine Ansprache schloss er mit den Worten: „Möge dieser Kirchenbau Jahrhunderte lang dem Allerhöchsten zur Ehre, den Erdpressern immerdar zum Heil und Segen gereichen“. Der Chronist schließt seinen Bericht: Diese schöne Feier wird allen Erdpressern zeitlebens eine frohe Erinnerung bleiben.

Das relativ steil abfallende Gelände musste abgegraben werden. Straßenseitig wurden Kirche und Turm auf Piloten gestellt.

Am 1. September 1906 war das Bauwerk fertig gestellt. 

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Finanziell fertig war auch die Gemeinde Erdpreß. Für die Inneneinrichtung musste von der NÖ. Landes-Hypothekenanstalt im Jahre 1907 ein Darlehen von 5.430 Kronen aufgenommen werden.

Der schöne Schnitzaltar mit den vier Evangelisten konnte erst im Jahr 1911 geschaffen werden (Erbauer Dominik FILL, Holzbildhauer, Mistelbach, Wiedengasse 10).

Die zwei Glocken der alten Kapelle läuteten nun vom Turm der neuen Kirche.

Der [[Erste Weltkrieg]] forderte auch von Erdpreß seinen Tribut – am 17. Mai 1917, ein halbes Jahr vor der Weihe des Gotteshauses, wurden die zwei Glocken dem Kriege geopfert und zur Eingießung ins Arsenal abgeliefert.

Am 19.11.1917 hat Seine Gnaden, der hochwürdige Herr Abt von Heiligenkreuz, Dr. Gregor Böck die neue Kirche geweiht, und das Ordinariat hat die Messlizenz vorläufig für drei Jahre erteilt mit der ausdrücklichen Bedingung, dass nur wöchentlich eine Schulmesse gelesen werden darf. Alle Häuser waren beflaggt, der Ort war festlich dekoriert. Nach der Weihe der Kapelle wurde die erste heilige Messe gefeiert.

Den Erdpressern wurde erklärt, dass die notwendigen Paramente und Messgewänder angeschafft werden müssen. Das dazu notwendige Geld müsse durch Spenden aufgebracht werden. Die Aufforderung des Pfarrers (Placidus von Arway) zur Sammlung des Geldes führte zum besten Erfolg; nach drei Wochen wurde ihm der Betrag von 2.471 Kronen übergeben.

Patron der Kirche ist der hl. Vitus ([[Veit]]):

Vitus gehört zu den volkstümlichsten Heiligen der katholischen Kirche. Im vierzehnten Jahrhundert wurde er in den Kreis der vierzehn Nothelfer aufgenommen. Unzählige Kirchen in vielen Ländern tragen den Namen des Märtyrers, die berühmteste ist der [[Veitsdom]] in Prag.

Am 9. Dezember 1917 wurde der Kreuzweg der Kirche Erdpreß durch einen Franziskanerpater geweiht. 

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Altar u. neuer Volksaltar

In der politisch und wirtschaftlich bösen Zwischenkriegszeit konnte eine uralte Glocke, gegossen 1570, angekauft werden. Ein kleines Zügenglöcklein (Totenglocke) wurde 1929 von der Milchgenossenschaft gespendet. Sie überstand als einzige auf dem Turm hängend das Inferno des Zweiten Weltkrieges. Die große alte Glocke wurde am 4. Juni 1942 für Kriegszwecke abgenommen.

 

Schon im Jahre 1946 bestellte die Gemeinde bei der Firma Pfundner eine große Glocke, die in dieser Notzeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ausschließlich mit Lebensmitteln (Schmalz, Mehl, Wein etc.) bezahlt wurde.

1953 spendeten die Erdpresser eine Glocke für die Pfarrkirche Niedersulz. Am 20.9.1998 erhielt Erdpreß eine dritte Glocke, um das armselige Geläute, das aus einer sehr großen und einer sehr kleinen Glocke bestand, zu vervollständigen. 

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Frau Maria Neumayer u. Urenkel, 1998 

Bevor das Geläute elektrifiziert wurde, läutete Frau Maria Neumayer, Erdpreß Nr. 8, über 50 Jahre hindurch täglich dreimal die Glocken zum Gebet. Sie erhielt dafür ein Diplom aus der Hand des damaligen Seelsorgers Hochwürden Franz Bierbaumer.

 

Die Kirche Erdpreß wurde nach dem Zweiten Weltkrieg einige Male restauriert, zum letzten Mal im Jahr 2002. Da nahmen einige junge Professionisten unter der Führung von Dachdeckermeister Ferdinand WÜRRER Nr. 115 mit einem Leihgerüst die General-Außensanierung der Kirche und des Turmes vor.

 

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Das Kirchendach wurde verschalt und neu eingedeckt und mit einer Blitzschutzanlage versehen. Das Material bezahlte die Gemeinde Sulz, die Arbeit wurde von den fleißigen Helfern unentgeltlich geleistet.

 

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General-Außensanierung, 2002 

Im Jahr 2003 erfolgte ganz spontan die Innenrenovierung des Gotteshauses. Das ergab sich so: In der Pfarre Niedersulz gab es in diesem Jahr nur Erstkommunionkinder aus Erdpreß. Pfarrer Hochwürden Mag. Klinger sagte zu, die Erstkommunion in Erdpreß zu feiern, wenn die Kirche auch innen renoviert würde. Unter der Leitung von Malermeister Gerhard Schuller malten einige Erdpresser Maler die Kirche komplett aus. In drei Tagen war die Kirche ausgeräumt, frisch gefärbelt und wieder eingeräumt. – Die Erstkommunion fand in Erdpreß in der renovierten Kirche statt.

 

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Erstkommunion mit Pfarrer Klinger, 2003 

 

Im Spätwinter des Jahres 2005 (Februar, März) ging ein lang gehegter Wunsch von Pfarrer Klinger in Erfüllung: Ein den liturgischen Richtlinien und den Proportionen der Kirche entsprechender [[Volksaltar]] wurde errichtet.

Unter der Leitung von Prof. Josef GEISSLER vom Weinviertler Museumsdorf stellten die beiden ortsansässigen Tischler Hannes WIESINGER und Alois GLÜCK in der Werkstatt der Firma BÖHM-MITSCH in Spannberg den neuen sehr schönen und würdigen Volksaltar her.

 

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Kirche, innen 

Anschließend vergoldete und marmorierte Prof. GEISSLER in der Werkstatt des Malermeisters Gerhard SCHULLER sowohl den alten Altar, der den Erdpressern ans Herz gewachsen war und auch nach dem neuen Konzept erhalten werden konnte, als auch den neuen Volksaltar. Der gelernte Maler Josef WIESINGER Nr. 104 half dabei tatkräftig. Dank gebührt den oben genannten Firmen, die ihre Werkräume kostenlos für den guten Zweck zur Verfügung stellten.

 

Nach der Zusammenlegung der Gemeinden im Jahre 1972 haben die Erdpresser sehr viel Eigenleistung, Geld und Arbeit eingebracht für die Feuerwehr, das Gemeindeamtshaus und nun auch für ihre Kirche. Das Gotteshaus in Erdpreß ist eine der wenigen Kirchen, die Eigentum der Gemeinde und nicht der Diözese ist. Für das Material der Innen- und Außenrenovierung der Kirche (Dachziegel, Dachlatten, Schalbretter, Dachpappe, Dachrinnen, Blitzschutzanlage, Farbe, Wasseranschluss, Holz für den Volksaltar, Blattgold usw.) bezahlte die Marktgemeinde Sulz im Weinviertel rund € 54.000,-.

Kirchenamtlich wurde die Erdpresser Kirche immer nur als Betkapelle bezeichnet. Sonntagsgottesdienste wurden deswegen bis zum Jahre 1972 nur in der Pfarrkirche Niedersulz gefeiert, um die Einheit der Pfarre zu bewahren. Regelmäßig gingen die Erdpresser bei jedem Wind und Wetter nach Niedersulz, um an Sonn- und Feiertagen die heilige Messe mitzufeiern. Später fuhren viele mit dem Rad. Als die Autos aufkamen, bildete man Fahrgemeinschaften für den Gottesdienstbesuch. Seit dem Jahr 1972 werden auch in der Kirche zu Erdpreß Sonntagsgottesdienste oder Vorabendgottesdienste gefeiert.

Der gute Organist Johann WÜRRER, Erdpreß Nr. 27, bemüht sich seit frühester Jugend um würdige Gestaltung der Gottesdienste in Erdpreß. Den Mesnerdienst und die Aufgaben einer Vorbeterin versieht Frau Gertrud ÖTTL, Erdpreß Nr. 4, seit vielen Jahren umsichtig und sehr gewissenhaft.

1984 wurde das ehemalige [[Milchhaus]], das 1904 gebaut worden war, von der Pfarre gekauft und als Pfarrheim eingerichtet. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft brachte es mit sich, dass die Milchgenossenschaft 1974 aufgelöst wurde. Der Altwarenhändler Knoll kaufte das Milchhaus und nützte die Räume als Magazin. Die schöne alte Fassade aus der Zeit der Jahrhundertwende wurde leider abgehackt und durch eine neue glatte ersetzt.

Am 21. Oktober 1979 verstarb in Prottes die 91-Jährige Geschäftsfrau Emma HELM. Diese alte Frau, die Witwe war und kinderlos starb, vermachte der Pfarrgemeinde Erdpreß in ihrem Testament den Betrag von 300.000,- Schilling.

Wie kam Frau Helm, die hierorts völlig unbekannt war, zu dieser Entscheidung? Ihre Mutter, Frau Barbara Eichinger, war 1876 als Tochter der Eheleute Johann und Anna-Maria SEYMANN im Haus Erdpreß Nr. 8 zur Welt gekommen. Diese hatten, wie schon erwähnt, den Bauplatz für die Kirche gespendet und von ihrer großen Liegenschaft abgetrennt. Als ihre Tochter Barbara nach Prottes heiratete, beschlossen die sehr wohlhabenden Halblehner, ihrer Tochter zu folgen. Sie verkauften nach und nach all ihre Liegenschaften in Erdpreß und transferierten ihr ganzes Vermögen nach Prottes.

Aus der Ehe ihrer Tochter Barbara Eichinger entspross 1888 eine Tochter namens Emma, später verehelichte HELM, die Wohltäterin der Pfarre. Sie erinnerte sich ihrer Erdpresser Wurzeln und bedachte Erdpreß in ihrem Testament.

Im Todesjahr der Frau Emma HELM 1979 entschloss sich der Altwarenhändler Albrecht KNOLL das zum Magazin umfunktionierte Milchhaus zu verkaufen. Der damalige Pfarrer Dr. Josef KOCH kaufte es für die Pfarrgemeinde. Der stolze Kaufpreis betrug 150.000,- Schilling.

Das Milchhaus wurde nach und nach in vielen freiwilligen Stunden Gemeinschaftsarbeit als Pfarrheim adaptiert.

 

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Pfarrheim Erdpreß (ehem. Milchaus) 

Der Restbetrag des Helmschen Erbes war bald für Materialkosten aufgebraucht. Alle Arbeiten wurden von ortsansässigen Professionisten und Helfern unentgeltlich durchgeführt.

 

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Pfarrer Koch konnte noch einige Jahre die Räume, die als Pfarrheim eingerichtet worden waren, allerdings schon gezeichnet von schwerer Krankheit, nutzen.

Bald hatte sich auch die Kühlgemeinschaft aufgelöst, deren Kühlfächer im Milchhaus untergebracht waren. Im dadurch frei werdenden Raum wurden WC-Anlagen installiert, und ein Raum für die Jugend wurde eingerichtet. Diese Arbeiten, die Wasserzuleitung und die Errichtung einer Kläranlage verschlangen viel Geld, obwohl wieder fast alle Arbeiter keine Entschädigung für ihre Leistungen verlangten.

Die Erdpresser spendeten sehr großzügig, Singgemeinschaft und Frauenbewegung machten Veranstaltungen für den guten Zweck, doch es fehlte schließlich noch immer eine Küche, die man so notwendig gebraucht hätte.

Der Pfarrgemeinderat Otto NEUMAYER besuchte zu dieser Zeit ein Seminar, bei dem auch der damalige Finanz-Landesrat Erwin PRÖLL anwesend war. Otto Neumayer schilderte ihm die prekäre Situation das Pfarrheim betreffend. Erwin PRÖLL, der jetzige Landeshauptmann, versprach, der kleinen Katastralgemeinde zu helfen. Der Herr Landesrat bewies Augenmaß – es wurden ATS 25.ooo,- aus Landesmitteln überwiesen. Nun konnte man Material kaufen und Tischler, Fliesenleger, Elektriker und freiwillige Helfer begannen wie die Heinzelmännchen zu werken, und in 14 Tagen war die Küche fertig.

Nach und nach wurden folgende Arbeiten am Pfarrheim durchgeführt: das ganze Haus wurde gegen aufsteigende Feuchtigkeit isoliert, auf dem Dachboden wurden Wärmedämmplatten aufgelegt, die Zentralheizung wurde installiert, zuerst wurde sie mit Holz befeuert, später wurde die Gasheizung installiert, Wärmedämmplatten wurden auf den Außenmauern aufgebracht, schon zweimal wurde von hiesigen Malern die Fassade gefärbelt, im Juni 2003 wurde unter Führung des Dachdeckers Josef MÜNZKER, Nr. 180, das Dach mit einer Schalung versehen, darauf wurde Dachpappe aufgelegt, das ganze Dach wurde neu eingedeckt, neue Dachrinnen und Saumbleche wurden angebracht.

Für das Pfarrheim wurden insgesamt ATS 578.995,- Bargeld ausgegeben.

Dieser Betrag wurde wie folgt aufgebracht:

Erbschaft Helm

ATS 290.000,-

Erzdiözese

ATS 248.365,-

N.Ö. Landesregierung

ATS 25.000,-

Spenden/Vereine

ATS 15.630,-

Die Eigenleistungen können mit rund ATS 355.000,- bewertet werden.

Die Ortsgruppe des österreichischen Seniorenbundes steuerte Beleuchtungskörper bei, der Dorferneuerungsverein stellte sich mit drei Lustern für den Saal und für den Jugendraum ein – eine Geschichte von uneigennütziger Hilfsbereitschaft, die niemals enden sollte.

Im Pfarrheim finden regelmäßig kulturelle Veranstaltungen statt, um die sich Johann ÖTTL, der ehemalige Leiter des Bildungs- und Heimatwerkes Erdpreß, sehr bemüht: Dichterlesungen, Lichtbildvorträge (Rudolf Würrer), gemeinsames Singen, Fotoausstellungen usw. finden regelmäßig statt. Monatlich treffen sich die Senioren im Pfarrheim, um miteinander zu plaudern und gemeinsam zu feiern. Die Jugend hat einen Raum zur Verfügung, wo man sich regelmäßig trifft. Auch der Kameradschaftsbund, die Freiwillige Feuerwehr, die Frauenbewegung und vor allem der Dorferneuerungsverein nutzen das Pfarrheim für Veranstaltungen und Versammlungen. Dieses Haus ist ein echtes Kommunikationszentrum für Erdpreß geworden, nachdem im Jahre 1979 das Gasthaus geschlossen worden war.

 

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Faschingsfest mit Behinderten der Lebenshilfe-Werkstatt Matzen, 2003 

 

Jahrzehnte lang schon befinden sich unsere Orte in einem Strukturwandel.

Vieles hat sich in Gesellschaft und Kirche verändert.

Die Arbeitsplätze im Ort werden durch die rasante Veränderung im Bereich der Landwirtschaft immer weniger. Jugendliche wandern ab. Viele Erdpresser müssen zu ihrer Berufstätigkeit auspendeln. Gemeinden wurden zu Großgemeinden zusammengelegt. Die kleinen Schulen wurden stillgelegt. Die Zahl der Kirchenbesucher hat abgenommen. Der Priestermangel führte dazu, dass ein Priester mehrere Pfarren betreuen muss.

Die Veränderungen werden weiter gehen. Trotz all dem, ist Erdpreß eine lebendige Gemeinde mit gutem Gemeinschaftsbewusstsein. Die Vereine arbeiten gut mit der Pfarre zusammen. Man weiß, wie man sich gegenseitig ergänzen kann. Dass eine Dorfgemeinschaft sich so für Kirche, Pfarrheim und die Feuerwehr engagiert, ist nicht selbstverständlich. Hier ergeben sich neue Formen der Pastoral durch Förderung der Menschlichkeit und der Brüderlichkeit, um die sich Mag. Klinger sehr bemüht.

Wir wünschen dem hochwürdigen Herrn Pfarrer von Herzen, dass es ihm gelingen möge, aus Erdpreß eine mitsorgende Pfarrgemeinde zu formen. Erdpreß und er, so meinen wir, sind auf einem guten Weg dorthin.

Möge die Erdpresser Kirche auch im den nächsten hundert Jahren dem Allerhöchsten zur Ehre und den Erdpressern immerdar zum Heil und Segen gereichen.